Frühling

Es ist Mittagspause und ich gehe im Praterpark spazieren. Ich gehe meine übliche Runde, wie immer, wie jeden Tag. Den gleichen Weg. Warum ich immer den gleichen Weg gehe, weiß ich eigentlich gar nicht. Und die Blätter über mir sind grün. Und da kommt einer auf seinem Fahrrad. Er hat eine von diesen Jogging Hosen an und eine dicke, silberne Kette um den Hals. Er blickt sich suchend um und reckt den Hals, damit er den ganzen Umkreis sieht. Senioren und ein Pärchen, und naja, ich. Und ich weiß schon was er da treibt, mit dem Rad herum fahren und Girls abchecken… Es ist ja ganz frischer Frühling. Und er fährt ein bißchen stumm neben mir her und dann sagt er mit der typischen harten Intonation, also so, wie Erkan und Stefan sprechen: „Hallo, wo gehst du hin!“ Und ich denke mir: „Maaah, bitte!  Muß das sein, ich hab Mittagspause.“ Aber was soll ich schon groß machen, und ich versuche halbwegs freundlich zu antworten. Und er fragt so dies und das: Wo ich denn arbeite? Und was ich da so mache, und ob er mich ins Büro bringen darf?  Und ob ich eigentlich einen Freund hab, und ob ich wirklich, wirklich 40 Stunden arbeite? Und ich merke, dass er noch ganz jung ist. Und ich frage ihn was er denn so macht. „Ja, ich geh in die Schule, aber meistens schwänze ich, wenn ich nimmer will!“, sagt er, mit einer kindlichen Aufrichtigkeit. Ich schaue ihm in die Augen und frage ihn wie alt er denn ist, und komme mir bei der Frage vor, wie seine böse Oberlehrerin. Und er sagt: „Neunzehn“. Ich sag: „Ah, okay“. Mmmmhhh. „Ich bin neunundzwanzig.“ Er sagt: „Boah, da bist du ja zehn Jahre älter als ich.“ „Ja“. Wir schweigen. Anstandsmäßig  radelt er noch ein paar Meter neben mir her, dann sagt er: „Äh, ich muß da jetzt abbiegen.“ :-)